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4.2 Herleitung der Weber-Kraft aus der Weber-Maxwell-Kraft

Die Weber-Maxwell-Kraft (2.3.1) ist sehr allgemein. Dies macht viele Berechnungen unnötig aufwendig. Im Falle von Gleichstrom ist eine starke Vereinfachung möglich, denn eine krafterzeugende Punktladung $q_s$ bewegt sich hier üblicherweise so langsam, dass die Bahnkurve im Zeitintervall zwischen Aussenden der Kraft zum Zeitpunkt $\tau$ und dem Erreichen der Empfängerladung $q_d$ zum Zeitpunkt $t$ nahezu eine Gerade ist. Dies bedeutet, dass man den Abstandsvektor $\vec{s} := \vec{r}_d(t) - \vec{r}_s(t)$ zwischen $q_d$ und $q_s$ zum Zeitpunkt $t$ durch die Gleichung
$$\vec{s} = \vec{r} + \vec{v}\,(t-\tau)$$ (4.2.1)
ausdrücken kann. Des Weiteren verschwindet die Beschleunigung $\vec{a}$ und die Geschwindigkeit $\vec{v}$ ist eine Konstante. Die Weber-Maxwell-Kraft vereinfacht sich damit zu
$$\vec{F} = \frac{q_d\,q_s\,\gamma(v)\,\left(\vec{r}\,c + r\,\vec{v}\right)\left(c^2 - v^2\right)}{4\,\pi\,\varepsilon_0\,\left(r\,c + \vec{r}\cdot\vec{v}\right)^3}.$$ (4.2.2)
Wegen $c^2 - v^2 = c^2/\gamma(v)^2$ lässt sich das umschreiben zu
$$\vec{F} = \frac{q_d\,q_s\,\left(\frac{\vec{r}}{r} + \frac{\vec{v}}{c}\right)}{4\,\pi\,\varepsilon_0\,\gamma(v)\,r^2\,\left(1 + \frac{\vec{r}}{r}\cdot\frac{\vec{v}}{c}\right)^3}.$$ (4.2.3)
Wegen Gleichung (2.3.5) gilt $t - \tau = r/c$. Setzt man das in die Gleichung (4.2.1) ein, so erhält man
$$\frac{\vec{s}}{r} = \frac{\vec{r}}{r} + \frac{ \vec{v}}{c}.$$ (4.2.4)
Damit folgt für Gleichung (4.2.3)
$$\vec{F} = \frac{q_d\,q_s\,\vec{s}}{4\,\pi\,\varepsilon_0\,\gamma(v)\,r^3\,\left(1 + \frac{\vec{r}}{r}\cdot\frac{\vec{v}}{c}\right)^3}.$$ (4.2.5)
Außerdem folgt aus Gleichung (4.2.4)
$$ \frac{\vec{r}}{r}\cdot\frac{\vec{s}}{r} = 1 + \frac{\vec{r}}{r}\cdot\frac{\vec{v}}{c}.$$ (4.2.6)
Damit wird Gleichung (4.2.5) zu
$$\vec{F} = \frac{q_d\,q_s\,\vec{s}}{4\,\pi\,\varepsilon_0\,\gamma(v)\,\left(\frac{\vec{r}}{r}\cdot\vec{s}\right)^3}.$$ (4.2.7)
Nun stört nur noch der Term $\vec{r}/r\cdot\vec{s}$. Für diesen gilt wegen Gleichung (4.2.1) und wegen $t-\tau = r/c$
$$\frac{\vec{r}}{r}\cdot\vec{s} = \frac{\vec{s} - \vec{v}\,(t-\tau)}{c\,(t-\tau)}\cdot\vec{s} = \frac{s^2}{c\,(t-\tau)} - \frac{\vec{s}\cdot\vec{v}}{c}.$$ (4.2.8)
Aus Gleichung (2.3.5) folgt
$$t - \tau = \frac{r}{c} = \frac{\Vert\vec{s} - \vec{v}\,(t-\tau)\Vert}{c},$$ (4.2.9)
d.h.
$$t - \tau = \frac{s^2}{\vec{s}\cdot\vec{v} + \sqrt{(\vec{s}\cdot\vec{v})^2 + s^2\,(c^2 - v^2)}}.$$ (4.2.10)
Dies lässt sich in Gleichung (4.2.8) einsetzen und es folgt
$$\frac{\vec{r}}{r}\cdot\vec{s} = \frac{1}{c}\,\sqrt{(\vec{s}\cdot\vec{v})^2 + s^2\,(c^2 - v^2)} = \sqrt{s^2 - \frac{1}{c^2}\Vert\vec{s}\times\vec{v}\Vert^2}.$$ (4.2.11)
Dies ermöglicht es Gleichung (4.2.7) zu
$$\vec{F} = \frac{q_d\,q_s\,\vec{s}}{4\,\pi\,\varepsilon_0\,\gamma(v)\,\left(s^2 - \frac{1}{c^2}\Vert\vec{s}\times\vec{v}\Vert^2\right)^{3/2}}$$ (4.2.12)
umzuformen. Diese Gleichung hängt nun nur noch vom aktuellen Abstandsvektor $\vec{s}$ zwischen $q_d$ und $q_s$ zum Zeitpunkt $t$ ab. Größen zum vergangenen Zeitpunkt $\tau$ sind nicht mehr enthalten, was die Verwendung der Gleichung bei praktischen Berechnungen deutlich vereinfacht.

Bei Gleichung (4.2.12) handelt es sich nicht nur um eine spezielle Lösung der Maxwell-Gleichungen sondern auch um eine alternative Darstellung der klassischen Weber-Kraft (2.2.1). Um das zu zeigen, führen wir die Ersetzung $\vec{v} \to u\,\vec{v}$ durch und entwickeln den Term in eine Taylorreihe. Man erhält
$$\vec{F} = \frac{q_d\,q_s\,\vec{s}}{4\,\pi\,\varepsilon_0\,s^3}\,\left(1 - \frac{ s^2\,v^2 - 3\,\Vert\vec{s}\times\vec{v}\Vert^2}{2\,s^2\,c^2}\,u^2 + \mathcal{O}(u)^3\right).$$ (4.2.13)
Nun kann man $u = 1$ setzen und somit die Substitution $\vec{v} \to u\,\vec{v}$ rückgängig machen. Mit Hilfe der Beziehung
$$\Vert\vec{s}\times\vec{v}\Vert^2 = s^2\,v^2 - \left(\vec{s}\cdot\vec{v}\right)^2$$ (4.2.14)
gelangt man schlussendlich zur Näherung
$$\vec{F} = \frac{q_d\,q_s\,\vec{s}}{4\,\pi\,\varepsilon_0\,s^3}\,\left(1 + \frac{v^2}{c^2} - \frac{3}{2}\,\left(\frac{\vec{s}}{s}\cdot\frac{\vec{v}}{c}\right)^2\right),$$ (4.2.15)
was genau der Weber-Kraft (2.2.1) entspricht. Damit ist bewiesen, dass es sich bei der Weber-Elektrodynamik um eine Teilmenge der Weber-Maxwell-Elektrodynamik handelt. Außerdem wird deutlich, dass die Weber-Elektrodynamik nur unter gewissen Voraussetzungen gilt, nämlich dann, In der Elektrotechnik ist dies bei Gleichströmen und bei niederfrequenten Wechselströmen der Fall. Niederfrequent bedeutet dabei, dass der Abstand zwischen Strom und Messstelle viel kleiner ist, als die Wellenlänge. Falls diese Bedingung nicht erfüllt ist, ist die Weber-Elektrodynamik ungeeignet und man benötigt die Weber-Maxwell-Elektrodynamik.